Rosenmontagsumzug (incl. Bilder) + Antwort auf eine private Nachricht zum Thema Flüchtlinge

Gestern waren wir nun, wie geplant, auf dem Rosenmontagsumzug in der nächsten Kleinstadt. Beim Wetter hatten wir deutlich mehr Glück als die bekannten Karnevalshochburgen am Rhein. Hat echt alles perfekt gepasst, Wetter, Stimmung und der Umzug selbst – genial. Es gab auch keine, von mir befürchteten Pöbeleien wegen der Flüchtlinge. Jo, ich bin und bleibe eben einfach ein Berufspessimist, genau aus diesem Grund sind solche Aktionen für mich besonders wertvoll!

Eines der Prinzenpaare aus der Region:
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Die Lokalzeitung hat sich ebenfalls für ein Motiv mit dieser Gruppe entschieden, trifft die Stimmung des Tages wohl am besten. Klein, ruhig und gemütlich:
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Piratenschiffe waren in diesem Jahr besonders im Trend, in dem Rosenmontagsumzug was bestimmt vier Piratenschiffe zu sehen:
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Nach dem Umzug gabs bei uns noch Faschingskrapfen und Tee. Die Stimmung war dieses mal „etwas“ lockerer, der Inhalt der Gespräche dafür noch erschütternder als beim ersten Treffen. An dieser Stelle aber zunächst ein kleiner Einwurf. Zu meinem letzten Eintrag habe ich gleich zwei private Nachrichten von einer Leserin erhalten. Ich würde gerne meine Antwort auf diese Nachrichten in dieser Eintrag einbauen, ich hoffe das ist so in Ordnung und ausführlich genug. Grundsätzlich kann ich viele Bedenken und Fragen in diesen beiden privaten Nachrichten sehr gut verstehen. Ich würde sogar noch einen Schritt weiter gehen und es noch zugespitzter formulieren, die Übergriffe an Sylvester waren eine Kriegserklärung für uns und unsere Kultur. Nur mit Krieg ist das eben so eine Sache, wer ist den nun genau „der Feind“ und wie bekämpft man ihn am besten?

In einem meiner vorherigen Einträge hab ich ja schon geschrieben, warum ich mich nicht für einen Gutmenschen halte. Ehm, ich bin gerade der, der im örtlichen Wald mögliche Fluchtpunkte und Verstecke auskundschaftet und dann die Zeit stoppt wie lange er von seinem Haus bis zu dem Versteck braucht. Ich bin der, der sich darüber informiert, welche Ausrüstung man benötigt um im Winter in alpinem Gelände mehrere Tage durchhalten zu könnnen. Und ich bin der, der am Wochenende diese Ausrüstung auf dem Trainingsgelände des nächsten Gebirgsjägerbataillons testet. Gutmensch? Objektiv betrachtet wohl eher leicht paranoider Spinner? Soviel mal dazu…

Bei den beiden Leuten, die da mit uns am Tisch Faschingskrapfen gegessen haben, konnte in nun bisher „den Feind“ noch nicht entdecken. Da war zum einen die junge Frau aus dem Sudan, ich hatte sie das letzte Mal Heike genannt. Die trägt ein großes Holzkreuz um den Hals und ist vor der Terrorherrschaft muslimischer Reitermilizen geflohen. Wieso sollte sie ein Interesse an einer Islamisierung haben? Im Gegenteil, wir haben uns „etwas“ blamiert, weil wir nicht so genau wussten wann Ostern ist *upsi*, „jo, da müssten wir jetzt mal im Kalender nachsehen *hust*…“.

Unseren zweiten Gast kannten wir bis jetzt noch nicht, ich nenne ihn mal Robert. Robert kommt aus Afghanistan, sein Vater war wohl hoher Beamter im Finanzminiterium in Kabul und wurde deswegen ermordert. Seine Mutter ist Gymnasiallehrerin in Kabul und seine größere Schwester Ärztin. Robert hat als Funker für eine Sicherheitsfirma in der japanischen Botschaft gearbeitet. Sein Job war der Funkkontakt zu den Konvois mit Diplomaten, wenn diese in Kabul zu einem Ministerium mussten. Aus dem Grund kann er nun eben nicht mehr sicher in Afghanistan leben. Hier bei uns hat er inzwischen einen dauerhaften Arbeitsvertrag beim örtlichen Burger-Schnellrestaurant. Die nächsten Schritte wären ein Führerschein und eine eigene Wohnung. Nur ist das der angesprochene Sozialschmarotzer?

Ich wurde gefragt ob ich mich auch für Obdachlose genauso einsetze wie für die Flüchtlinge. Ehrliche Antwort: nein. Ehrlich setze ich mich auch für die Flüchtlinge ungern persönlich ein. Meine soziale Ader ist wohl eher schlecht ausgebildet. Ich bezahle Steuern und halte es für die sinnvollste Lösung, wenn sich der Staat um Obdachlose und Flüchtlinge kümmert. Das schafft die notwendige emotionale Distanz und die Leute erhalten im Idealfall eine gute professionelle Unterstützung. Aktuell stecken wir aber in einer echten Not- und Krisensituation, in dem Fall ist der Staat überfordert und kann diese professionelle Hilfe meiner Meinung nach nicht mehr alleine gewährleisten. In diesem Fall endet meine Verpflichtung dann eben nicht beim „Steuern bezahlen“, da bleibt dann eben nichts anderes übrig als sich selbst – zumindest etwas – aus der Komfortzone herauszubewegen.

So ich hoffe ich habe nun nix ausgelassen und meine Sichtweise differenziert genug dargestellt. Nachrichten sind natürlich sowohl öffentlich als privat gerne willkommen. Eine letzte Anmerkung an die Leserin mit den beiden privaten Nachrichten, überleg Dir mal ob Du vielleicht ein paar private Tagebucheinträge zu Deinen Sorgen, Ängsten, Befürchtungen und persönlichen Erfahrungen mit Flüchtlingen verfassen möchtest. Würde ich sehr gerne lesen.

Tagebuchschreiben + Flüchtlinge + Leitkultur + Testvideo

Ohje, ich hab die volle Schreibblockade – zuviele Gedanken gleichzeitig im Kopf. Deshalb versuche ich nun einfach mehrere schwere Themen in einem Tagebucheintrag zu verwursteln. Geht vermutlich schief, aber egal, Hauptsache ich hab wieder etwas mehr gedankliche Luft.

Bei myTagebuch.de gabs ein paar, für mich, sehr spannende Einträge. Ich habe mir nach dem Lesen einige Gedanken über das Tagebuchschreiben gemacht. Warum und wie schreibt man und eben über was. Ich für meinen Teil versuche die Gedanken möglichst 1:1 in Worte zu fassen. Rechtschreibung, Grammatik sind gut und wichtig, stören mich da aber eher. Ich verfasse eben genau keine redaktionellen Artikel. Mir geht es um eine möglichst unverfälschte „Datensicherung“ meiner Gedanken. Was Jason Travis oder Hans-Peter Feldmann mit dem Inhalt von Handtaschen künstlerisch umsetzen, versuch ich zumindest im Ansatz mit den eigenen Gedanken, oder mal dem einen oder anderen Bild meiner Einkäufe.

Gefühlt spitzt sich die Flüchtlingskrise hier in der Gegend gerade zu. Es gibt einen konstanten Strom von Berichten wo Flüchtlinge Frauen sexuell belästigt haben. Da bedroht ein Flüchting Joggerinnen mit einem Messer, hier werden Mädchen im Schwimmbad begrapscht und auf YouTube gibts Videos wie sich Flüchtlinge in der U-Bahn übel daneben benehmen. Die andere Seite ist eine nun offenbar ziemlich flächendeckende und offen rassistische Ausgrenzung der Flüchtlinge. Spätestens seit Sylvester haben die Leute Angst und diese Angst wird sehr offen nach aussen gezeigt! Von Integration kann man da gerade nicht mehr sprechen, es spricht zwar noch niemand so aus, aber ich würde sagen es geht gerade eher darum schwerere Straftaten zu verhindern. Von den Lokalpolitikern möchte niemand brennende Flüchtlingsunterkünfte, is schlecht fürs Image und passt nicht zur propagierten Familien- und Kinderregion, da hört der Unterstützungwille dann aber „gefühlt“ auch schon auf. Hier im Ort wird gerade eine zweite Unterkunft für Flüchtlinge vorbereitet (ein ehemaliger Swingerclub *grins*). Seit Freitagnacht steht vor dem Haus ein grosses Schild mit der Aufschrift „Nein“. Ein Telefonat mit meiner Mutter hat meine Beobachtungen bestätigt, die Situation ist hier in allen Orten so. Flüchtlinge können nicht mehr zum Einkaufen oder auf den Fussballplatz gehen, ohne offen angefeindet zu werden. In einem der Nachbarorte gröllt Nachts der Mob ausländerfeindliche Sprüche vor der Flüchtlingsunterkunft und in einer nahegelegenen Kleinstadt versucht ein angetrunkener Typ mit dem Messer in die Unterkunft reinzukommen. Jo, und ebenfalls in der Region gab es letzte Nacht einen Brand in einer geplanten Unterkunft.

Die Politik hier steht da gerade wie paralysiert daneben. Es gibt zwar blöde Pseudodiskussionen über verschärfte Gesetze, aber wenig Pragmatismus. Im Prinzip bräuchte man deutlich mehr Sozialarbeiter, zum einen um den Flüchtlingen zu helfen, aber auch um uns und unsere Ängste zu betreuen. Den eigentlich hätten wir hier im Ort noch einiges an Wohnraumkapazität für Flüchtlinge. Da wäre z.B. ein großes leerstehendes Gebäude bei einem Altenpflegeheim. So müssten eigentlich schon mal ein paar Hundert Flüchtlinge weniger in Zelten oder Turnhallen ausharren. Es wäre eben eine Frage von Geld und professioneller Betreuung. Aus meiner Sicht aber deutlich besser, als aktuell Flüchtlinge z.B. in eine Stadt wie Berlin zu schicken. Einzig der politische und gesellschaftliche Wille fehlt da gerade komplett.

So nun versuche ich aber die Kurve zurück zu meinem Tagebuchschreiben-Gedanken zu erwischen. Morgen läuft unsere nächste Aktion mit den Flüchtlingen. Wir nehmen zwei mit auf den Rosenmontagsumzug in der nächsten Kleinstadt. Ich hoffe das Wetter macht uns da morgen keinen Strich durch die Rechnung. Gut unsere Faschingsbegeisterung hält sich sehr in Grenzen, Kostüme und Verkleidung sind nicht so unser Ding. Aber zumindest den kleinen Rosenmontagsumzug kucken wir dann doch seit ein paar Jahren an. Danach gibts immer ein paar Krapfen (Pfannkuchen, Berliner…) und das war es dann mit Fasching. Das wäre dann auch meine persönliche Integrationsstrategie für die Flüchtlinge. Also von meiner Seite aus keine „Spezialaktionen“ nur für die Flüchtlinge, sondern eher versuchen die Flüchtlinge ab und an einfach „mitschleppen“. Für eine komplette Patenschaft einzelner Flüchtlinge fehlt mir leider die Zeit und Erfahrung. Der Helferkreis hier im Ort macht da sehr viel, aber da ich beruflich viel unterwegs bin ist es für mich schon schwer den Kontakt mit diesen Helfern zu halten.

Um nun die Verbindung zwischen Tagebuch und Flüchtlingen endlich zu schaffen, mir geht es um die Darstellung und Dokumentation dessen was uns ausmacht und was uns oder mich bewegt. Und da kommen wir schon zu meinem letzten Schlagwort in diesem Eintrag – Leitkultur. Irgendwie lebt eben bei uns schon jeder in seiner eigenen Lebenswirklichkeit, da trifft rabis Weltenmodell genau den richtigen Punkt. Aber was ist dann die Leitkultur und „typisch deutsch“? Ich wohne in einer Gegend die so gesehen seit gerade mal 200 Jahren überhaupt zu Deutschland zählt. In Berlin gabs vor ein paar Jahren ja mal Streitigkeiten um „unsere“ Spätzle, tja, blöd wenn die Spätzle dann ursprünglich aus dem Kanton Graubünden zu uns kamen.

Essen und Esskultur sind eben ein noch relativ einfaches Thema im Bezug auf „die Leitkultur“. Die Flüchtlinge wollen beim nächsten Mal etwas typisch deutsches kochen. Jo, nur was ist das? Ich kann mich nicht daran erinnern, das wir in den letzten 10 Jahren mal einen Schweinebraten selber gekocht hätten. Ein Weisswurstfrühstück gibts im Jahr vielleicht ein oder zwei Mal, wäre das dann typisch für mich / uns? Aktuell wäre mein persönlicher Vorschlag für den nächsten Kochabend eine Kartoffelsuppe. Die gabs bei uns in letzter Zeit häufiger und trifft genau meine Stimmung. Noch ne Portion leckeren Feldsalat dazu und wir hätten den dokumentierten Alltag von mir / uns.

Um den Begriff Leitkultur für mich abzuschließen, würde ich meine Definition von Freiheit benutzen. Jeder kann hier tun und lassen was er will, solange er eben nicht die Freiheit von anderen dadurch einschränkt. Und genau diese Form von Freiheit ist für mich einer der Grundpfeiler unserer Gesellschaft.

Zum Abschluss hab ich noch ein Testvideo für Euch. Muss ja meinen eigenen Exhibitionismus pflegen und dazu würde ich Euch in diesem Jahr zu ein paar Aktionen mitnehmen. Das wäre dann Eure Perspektive:

Man erkennt vielleicht, dass ich noch etwas an meinem Laufstil arbeiten muss. Das war noch ein sehr entspannter Trainingslauf, evtl. wären die geplanten Videos noch „etwas“ verwackelter. Aber mal sehen, ich werde noch mehr üben und testen… so ganz bin ich mit dem Ergebnis bei YouTube nicht zufrieden.