Paris, Flüchtlinge, der Wertekodex, Fragen an Euch und die eigene Strategie

Paris, Flüchtlinge, der Wertekodex, Fragen an Euch und die eigene Strategie

hmmm, bei sovielen Meinungen und Kommentaren fällt es mir ehrlich gesagt schwer einen roten Faden
zu meinen eigenen persönlichen Gedanken zu finden. Klar ein Tagebuch ist ein schlechter Ort für
politische Diskussionen, aber irgendwie möchte ich dann meine eigenen Gedanken und
Schlussfolgerungen doch festhalten. Dieses Mal nehme ich mir für den Eintrag extra viel Zeit und hab mal
versucht meine Gedanken zu ordnen, super gute Antworten und Lösungen habe ich allerdings nicht, nur
wer hat die schon? Vielleicht hilft ja mein Bachblüten-Tee „Klarheit und Zentrierung“ den Eintrag halbwegs
lesbar hinzubekommen…

Was ich beim schreiben des ersten Absatzes noch nicht wusste, wie nah das Thema „Paris“ tatsächlich
für mich ist. Gut bei dem Kunden von dieser Woche arbeiten sehr viele Leute aus Frankreich. Aber am
Montag beim Mittagessen stellte sich heraus, der indische Kollege der direkt neben mir sass, war genau
am letzten Wochenende in Paris. Doch, doch, das fühlt sich schon verdammt nah an. Gut Paris ist von mir
gerade in etwa soweit entfernt wie Hamburg.

Ehrlich gesagt war ich zunächst etwas erschüttert wie ihr hier über das Thema diskutiert habt. Solche
Terroranschläge sind eine verabscheuungswürdige Tat. Aber wenn wir uns da kolletiv selbstzerfleischen
haben die Täter vermutlich das erreicht, was sie erreichen wollten. Ob es glücklich ist, das Thema
Flüchtlinge mit Terroranschlägen in einen Topf zu werfen, weiss ich nicht. Aber irgendwie hängt es dann
eben doch zusammen. Bei uns im Dorf werden dieser Tage nochmals über 70 zusätzliche Flüchtlinge
einquartiert. Ich habe von keinen Gut-Menschen gehört die nach der Nachricht Freudensprünge gemacht
hätten. Ich hab da selbst auch meine „Bedenken“ und „Sorgen“, wer hat die nicht?

Mir ist das in Hotels schon ein paar Mal passiert, man steigt in den Aufzug und sieht sich plötzlich
einer vermutlich arabisch stämmigen Familie gegenüber. Er und die Kinder in super modischer westlicher
Kleidung und die Frau total in schwarz mit Vollschleier und Handschuhen. Nein, das fühlt sich nicht gut an,
 das ist extrem bedrückend. Aber gerade deshalb setzen sich Leute ehrenamtlich für Flüchtlinge ein.
Unseren Wertekodex, also den Abschnitt Grundrechte im Grundgesetz, kann man niemandem via Gesetz
überstülpen. Das muss man vorleben und  vermitteln und das geht eben nur indem man die Kontakt- und
„Reibungs“-Fläche zwischen den Flüchtlingen und  dem Rest der Gesellschaft vergrößert. Zumindest in
meinem Ort versuchen die Helfer genau dies. Frage ist nur, wie kann man sich da am besten persönlich
einbringen…

Was mich gedanklich, schon seit ein paar Jahren, umtreibt sind die Fluchtursachen – zumindest das Wort
hört man ja gerade öfter. Und das möchte ich mit einer persönlichen Frage an Euch verknüpfen!

Stellt mal eine grobe Bilanz über Euer jetziges Leben auf. In meinem Fall:
– Ich fahre ein Auto mit Diesel-Motor (hihi, auch noch von VW)
– Mein Haus wird mit Erdgas beheizt
– Unser Stromverbrauch liegt wohl so im Durchschnitt
– Dafür besitzen wir vermutlich überduchschnittlich viele moderne Elektronische Geräte (Smartphones, Tablets…)
– Und ab und an essen wir Fleisch (gestern gabs Curry-Wurst, politisch korrekt mit Schweinefleisch)

Und nun die globale Fragen aller Fragen, inwieweit macht mich / Euch so eine Bilanz „mitschuldig“ am
aktuellen Syrienkonflikt? Seht ihr da eine gewisse Verantwortung? Oder gibt es da für Euch keinen
Zusammenhang? Zumindest für mich gibt es da eine ganze Reihe von Zusammenhängen und deshalb
würde ich mir da gerade sehr schwer tun zu sagen: „Was geht mich Syrien an?, wir bauen da jetzt nen
ordentlichen Grenzzaun und dann ist gut…“ Darüber mache ich mir mindestens seit Juni intensiv
Gedanken, hab ich bisher nur leider noch nicht geschafft in einem Tagebucheintrag festzuhalten.
Endgültige Antworten habe ich auch noch keine, aber viele Fragen…

jo, nicht soviel allgemeines Politikzeug, mehr Persönliches von mir… ich bin da ja eher so ein Mensch, der
nach derartigen Ereignissen „persönliche Konsequenzen“ ziehen muss. Jo, ich hab nen ausgeprägten
Hang zum Aktionismus. Da ja jetzt die Terrorgefahr gestiegen ist, haben wir gleich Sonntagabend noch
unsere „Notfallrucksäcke“ und deren Inhalt überprüft. Gut man könnte auch sagen, ich bin Kerstin damit
auf die Nerven gegangen *grins*. Vom Rucksackinhalt hab ich sogar ein Bild für Euch:

Gut direkt kann man sich wohl nicht vor Terroranschlägen schützen, egal ob nun von links, rechts oder
islamistisch. Aber wenn es zu solchen Serien von Anschlägen kommt kann man zumindest die
Auswirkungen der darauffolgenden staatlichen Maßnahmen etwas abdämpfen. Also Einschränkungen
wie Mobilfunknetz, GPS oder Internet werden abgeschaltet und der Verkehr (Auto, Zug, Flugzeuge) wird
eingestellt. Auf sowas kann man sich ja schon „etwas“ vorbereiten und da wären die Vorbereitungen ja
fast identisch zu Szenarien wie einem schweren „Herbst-Sturm“ oder Orkan im Januar…

Gleichzeitig haben wir uns vorgenommen, ein paar der örtlichen Flüchtlinge zu Kaffee und Tee zu uns
einzuladen. Die Leute brauchen einfach die Gelegenheit um zu sehen wie wir leben und welche „Werte“
uns wichtig sind. Ich will niemanden zum „perfekten Deutschen“ umerziehen. Hoffen wir mal, dass ich
dafür Zeit finde. Das ist für mich eben nicht so einfach, da ich ja ständig unterwegs bin. Aber spätestens
seit dem letzten Wochenende ist es mir ein ziemlich wichtiges Anliegen.

Wo ich mir noch intensiver Gedanken machen muss ist das Thema Nachhaltigkeit und mein persönlicher
Ressourcenverbrauch. Wie lässt sich der noch weiter reduzieren und werde ich dadurch vielleicht sogar
unabhängiger.

Ah, eine Bemerkung / Beobachtung zum Schluss. Als ich am Sonntag unser Gepäck vom Hotel ins Auto
geräumt habe, gabs auf der dort nahegelegenen Bundesstraße einen schweren Verkehrsunfall incl.
Feuerwehr und alles was dazugehört. Erinnerte mich nochmals daran, „gefühlte“ Gefahr ist auch eine
Frage persönlicher Wahrnehmung. Wir diskutieren jetzt viel über Flüchtlinge, Syrien und IS. Aber sind das
wirklich die Themen worüber wir als Gesellschaft dringend mal nachdenken müssten?

Flop Stay calm and be prepared