Therapiegedöns aka Psychotherapie

ui, ehm ja, wie findet man bei dem Thema nen passenden Einstieg? Keine
Ahnung. Ich hatte in meinem Tagebuch schon ein paar Mal andeutungsweise
was zu meinem persönlichen Hintergrund und warum mich dieses Thema
beschäftigt geschrieben:
– 09.06.2012 Zeit für uns, schweres Thema – sexuelle Gewalt
– 10.07.2012 Gedanken-Achterbahn und Probleme sind zum erschlagen da!

Und darüber hinaus hatte ich noch einen, für mich, sehr hilfreichen
Gedankenaustausch mit Alenka. Vielleicht ist das Thema bei mir, als
nicht direkt Betroffener, ja garnicht so schlecht aufgehoben. Deshalb
einfach nochmal meine bisherigen Erfahrungen und Ansichten dazu.

Ein Hinweis vorweg ich bin Informatiker und Ingenieur, wenn in meiner
„Zunft“ ein Psychotherapeut plötzlich mitreden würde wie Ingenieure
Autos zu entwickeln haben, würde es vermutlich nen Satz heisse Ohren
geben. Auf der anderen Seite wenn ich da bei Alenka von diesem riesen
bürokratischen Hickhack mit Krankenkasse, Rentenversicherung und
Extratouren ala „ne zahlen wir nicht“ lese, kann ich halt einfach
nur sagen: DANKE SCHÖN!!! Mir erscheint das Thema Psychotherapie
jedenfalls wie ein Dschungel. Deshalb schreib ich dann eben doch mal
meine Sicht der Dinge auf.

Meine eigenen Erfahrungen mit „nicht pupsigen“-Problemen

Ehrlich gesagt ich hab wenig persönliche Erfahrungen mit Psychotherapeuten.
Ich war mit 19 Jahren mal bei einem Erstgespräch bei einer Psychotherapeutin, is
aber nie was draus geworden, zu feige? Keine Ahnung, „wir Männer“ sind da ja etwas
„schwierig“ *grins*. Aber ich hab in meinem Leben nun schon einige Menschen mit
„nicht pupsigen“-Problemen näher kennengelernt. Ich geb mal zwei Beispiele:

Der Schulfreund. Den hab ich mit 17 Jahren auf der Schule kennengelernt, dort
wurde mir zum ersten Mal wirklich bewusst das es Menschen mit bedeuten größeren
Problemen wie meinen eigenen gibt. Bei dem hatte sich die Mutter an seinem
14ten Geburtstag das Leben genommen. War ein sehr intensiver Austausch per Chat
(via Modem) der bestimmt ein halbes Jahr gedauert hat. Meine Telefonrechnung war
zwar sehr hoch in der Zeit aber hat ihm und mir geholfen. Mir hat es eine Relation
zu meinen eigenen Problemen gegeben. Er hat heute ebenfalls ne IT-Firma 🙂
Psychotherapie hat der Schulfreund nie gemacht…

Der Bekannte. Sehr tragischer Fall, die Frau stirbt früh an Krebs, Sohn 1 war
Codein-Abhängig und pendelte zwischen Obdachlos und Haft hin und her, Sohn 2 hat
Down-Syndrom und Sohn 3 ist Epileptiker. Kann mich noch gut an die Krise erinnern,
als dann quasi als Sahnehäubchen oben drauf die Polizei bei ihm auf der Arbeit
angerufen hat, er soll Sohn 3 doch bitte auf der Wache abholen, weil er beim
Ladendiebstahl erwischt wurde… der war dann wirklich „bedient“. Der Bekannte
hat auch viel versucht, Meditation und was weiss ich noch. Der arbeitet heute selber
als Psychotherapeut und macht Familienaufstellungen…

Vielleicht noch ein Detail zu mir, den letzten Suizid hab ich Anfang Mai
„indirekt“ miterlebt. Ich hatte das Glück das ich mit dem Rücken zum Fenster gesessen
bin. Erscheint mir gerade wichtig um zumindest mal grob die Relationen zu
definieren… keine Ahnung ob das jetzt hilft meine Meinung zu dem Thema besser
einschätzen zu können, deshalb egal mal zurück zum eigentlichen Thema…

Das Ziele-Probleme

Offenbar gibt es da einen gewissen Ziel-Konflikt zwischen Betroffenen und
der „Psycho-Zunft“. Wir leben in einem extrem auf Effizienz getrimmten System.
Ziel des Systems: „Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit“, die Fassade muss
top aussehen. Wenn das mit ein paar „Pillen“ geht ist gut, ansonsten gibts noch
ne Therapie obendrauf. Den Betroffenen scheint es aber eher um so ein
Gesamtpaket Normalität zu gehen.

Ich dachte früher ja auch immer das man Probleme nur einfach erschlagen muss.
Kleine Probleme – kleiner Hammer, große Probleme – großer Hammer. 3,5 Monate
Spezialklinik wären so etwa meine Vorstellung von „Problem erschlagen“ gewesen.
Dem ist aber vermutlich nicht so, es gibt dann eben doch Probleme die sich
nicht so einfach erschlagen lassen, ist dann nur die Frage wie man mit denen
umgeht.

Dieses Ziele-Problem liegt vermutlich auch ein stückweit darin begründet wie
man die Psychotherapie sieht. Wenn ich krasse Halsschmerzen habe, kann ich
zum Arzt gehen, der verschreibt mir vermutlich Penicillin und ein paar Tage
später is wieder alles ok. Bei dem Psychogedöns ist es eben ein stückweit
anders. Da ist die Therapie evtl. nur ein Baustein, eine Hilfestellung von
vielen und man muss die Karre eben doch selbst und mit Freunden aus dem
Dreck ziehen.

Mit Psychopharmaka wäre das jetzt, mit meiner laienhaften Vorstellung, ähnlich.
Wenn einem wirklich ein komplettes Hochhaus akut im Weg steht, dann können die
Pillen vielleicht für etwas – vorübergehende – Stabilität sorgen. Zumindest
evlt. für soviel Ruhe wie nötig ist um am eigentlichen Problem zu arbeiten.
Nur Pillen schlucken ist also nicht die Lösung sondern wäre für mich ein Baustein,
eine Option. Aber eben keine dauerhafte Lösung.

Trauma hin / Trauma her

Ehrlich gesagt ich hab keine Ahnung wie man ein Trauma am besten verarbeitet.
Ob es hilft wenn man ständig Schritt für Schritt und in allen Details nochmal
durch die eigene Hölle geht, schwierig. Keine Ahnung ob es beim dritten, vierten
oder zehnten Mal leichter fällt oder besser wird. Ob es hilft ein Buch drüber
zu schreiben, in einem Tagebuch oder es einfach nur Freunden zu erzählen. Die
Legitimation auf diese Frage eine Antwort zu geben, haben eigentlich nur
Betroffene selbst.

Das wäre in meiner, vielleicht naiven, Sichtweise so das Stichwort für
Selbsthilfegruppen. Ich hab keinen Plan über was die Leute dort sprechen,
aber ich könnte mir eben vorstellen das es genau um diese Fragen geht. Was
hat den bei Dir geholfen? Wie habt ihrs gemacht? Klappt das wirklich so gut..?
Ne Selbsthilfegruppe ist sicherlich kein Therapie-Ersatz, aber evtl. eine
gute Anlaufstelle um Erfahrungen über Therapie auszutauschen…

Unser persönlicher Weg

Bei uns ist das „Set-Up“ etwas einfacher da Freundin bei mir in der Firma
mitarbeitet. Dadurch fallen schon mal ein paar Konfliktpunkte weg. Wir
überlegen gerade bei was überhaupt in Freundins-Fall eine Therapie genau
helfen soll.

Ich selber hab ja immer das gleiche Handlungsmuster und hab jetzt erstmal
ein Buch bestellt: Christine Striebel – Nicht allein. Unterstützung von
Betroffenen sexueller Gewalt. (@Alenka: in dem Buch steht vermutlich nichts
was Dir nicht schon bekannt ist, aber vielleicht hilft so ein Buch
Deinen Freund oder gute Freunde etwas näher und tiefer an das Thema
heranzuführen, damit da echte Verbündete draus werden?).