Der Flüchtlingsabend letzten Freitag

Der Flüchtlingsabend letzten Freitag

Achja, ab und an hab ich eben doch leichte Zeitprobleme was das Tagebuchschreiben angeht.
Da gibts dann innerhalb von ein paar Tagen die volle Ladung an interessanten und spannenden
Dingen. Tja, aber dann bleibt eben keine Zeit mehr, diese Eindrücke im Tagebuch festzuhalten
und zu verarbeiten. Eigentlich blöd und eigentlich nicht gerade nach meinem Jahresmotto
„Weniger ist mehr“. Aber ganz sooo eng sehe ich es dann eben doch nicht, jetzt muss ich eben
so von letzter Woche schreiben. Ich beginne deshalb mal mit dem Freitagabend, das Thema hätte
ich zumindest für die nächsten Tage mal etwas aus dem Kopf. Sonst blockiert mich das zu sehr.
Falls in dem Eintrag für den einen oder anderen zuviel Politik drin steckt, keine Sorge die
nächsten Einträge werden thematisch wieder komplett anderes. Gab auch einiges von Sex,
Partnerschaft bis Shopping was ich hier noch verewigen muss. Aber dieses Thema hier, sorgt
eben bei mir für die meiste Rotation, deshalb beginne ich damit…

Von unserer Einladung zu einem gemeinsamen Kochabend mit Flüchtlingen hatte ich ja schon
kurz berichtet. Ich hatte ne WhatsApp-Gruppe eingerichtet und eine junge Frau und ein
junger Mann hatten zugesagt. Damit ich mir leichter tue, gebe ich den beiden mal fiktive Namen
und als kleines Wahrnehmungsexperiment deutsche Vornamen, wie wäre es mit Ralf und Heike.
Erste kleine Hürde, vereinbart war, dass wir die beiden um 18:30 Uhr in dem Wohnheim abholen.
Wir sind 5 Minuten früher dran, aber keiner ist da *ups*. Rumgefragt, wo die beiden den stecken.
Kerstin hatte mir schon erzählt, dass es manchmal schwierig ist die Leute dort zu finden. Dank
WhatsApp und Kerstin waren wir um 19 Uhr aber doch noch komplett…

Ralf und Heike sind Anfang zwanzig. Heike ist in Eritrea geboren, hat vor ihrer Flucht
aber im Sudan gelebt. Ralf kommt aus Afghanistan. Beide leben inzwischen seit einem guten Jahr
hier im Dorf und können schon mehr oder weniger gut Deutsch. Die machten auch einen sehr netten
sympathischen Eindruck, gehen zur Berufsschule, machen Praktika. Beide streben eine Berufsausbildung an,
Ralf Fachinformatiker oder Kfz-Mechatroniker und Heike Altenpflegerin.

Wir standen dann gemeinsam bei uns in der Küche und haben eine Gemüsepizza gemacht. Dazu gabs noch
einen Eisbergsalat mit Tomaten und Mozzarella. Den Teig für die Pizza hatte ich schon vorbereitet,
so mussten wir dann nur noch die Zutaten für den Belag gemeinsam schneiden. Man braucht dabei
schon verdammt gute Antennen und Gespür für die Situation. Gutes Beispiel hierfür, der Mozzarella
für den Salat. Ich hab Heike gezeigt, wie sie den Mozzarella schneiden kann und beiden ein kleines
Stück davon angeboten. Dabei haben wir dann festgestellt, dass Heike gerade fastet und kein Fleisch,
aber auch keine Milchprodukte zu sich nimmt (die Regel gilt immer Mittwoch und Freitag).

Da kommen wir zum nächsten Thema Religion. Ich muss zugeben, ich bin da etwas einseitig. Mein
Interesse gilt den Naturwissenschaften und der Technik. Geisteswissenschaften ganz allgemein und
insbesondere Philosophie / Theologie ist nicht sooo mein Ding. Aber gut, zumindest hatte ich
katholischen Religionsunterricht in der Schule – vielleicht liegt es auch daran, dass mich
Geisteswissenschaften nicht besonders interessieren *grins*. Über den Mozzarella haben wir dann
rausgefunden das Heike eine orthodoxe Christin ist. Nicht russisch-orthodox, sondern orientalisch-orthodox
es gibt da die Eritreisch-Orthodoxe Tewahedo-Kirche und die Äthiopisch-Orthodoxen Tewahedo-Kirche.
Das müssen wir mal klären. Hab das gerade mal bei Wikipedia nachgelesen, mein Allgemeinwissen in diesem
Bereich ist nicht sonderlich groß. Das Konzil von Chalcedon, Monophysitismus und Nestorianismus hab
ich vorher noch nie gehört. Das passiert eben, wenn man im Religionsunterricht rumträumt und nicht
aufpasst *grins*.

Der eigentlich entscheidende Punkt, ich habe den Eindruck Religion ist den Flüchtlingen irgendwie
besonders wichtig. Gut sie haben ihre Heimat verloren, ihr Eigentum, ihre Freunde und Verwandten.
Da haben nix mehr, ausser ihrem Glauben. Macht die Sache natürlich nicht einfacher, wenn die Leute
hier auf eine Gesellschaft treffen, in der Religion sehr an Bedeutung verloren hat. Das fällt dann
schwer uns einzuschätzen. Auf der anderen Seite mal eine kleine Herausforderung für mich…

Ansonsten war es ein netter Abend, noch etwas verkrampft aber ausbaufähig. Wir müssen das nun
einfach einige Male wiederholen, damit man sich besser kennenlernt und lockerer wird. So richtig
umfangreiche Gespräche kamen da noch nicht zustande. Heike und Ralf sich noch nicht so recht getraut
Fragen zu stellen. So ging das Gespräch leider immer von mir aus. Ich wollte wissen was sie so in
ihrer Freizeit machen, ob sie Bücher lesen und ob sie Englisch sprechen. Beide sprechen neben Deutsch
mindestens drei Fremdsprachen (*uff*), allerdings eben kein Englisch, Französisch oder Spanisch.
Was sie nun genau in ihrer Freizeit machen hab ich nicht direkt rausbekommen. Gut, evtl. ist das ein
Problem der Sichtweise, jemand der im Sudan oder in Afghanistan aufgewachsen ist, kann mit sowas wie
Hobbies vielleicht einfach nix anfangen. Ohne Strom und sauberes Trinkwasser kommt man vielleicht nicht
auf die Idee sich für die Zucht von Orchideen zu interessieren.

Mal sehen, wann wir den Kochabend wiederholen. Beim nächsten Mal werden wir vorher zusammen den Einkauf
erledigen und das Gericht was wir kochen genauer absprechen. Nach der ersten Erfahrung würde ich sagen,
mehr als 3 Flüchtlinge an einem Abend sollten es nicht sein, quasi die „Obergrenze“ in klein *autsch*.
Sonst wird es schwer, auf jeden einzeln einzugehen. Für uns war es gleichzeitig mal ein vollkommen
anderer Abend und eine tolle Abwechslung. Kino wäre noch so eine Idee für einen Abend, vielleicht wäre
„Ich bin dann mal weg“ ein guter Film dafür…

Grünes Smilie