Auf der Arbeit – der Beruf und die Aufklärung

Achja, wie rabi schon richtig schrieb: „Wer die Wahl hat, hat die Qual.„. Welche meiner täglichen Gedanken und Erlebnisse halte ich in einem Tagebucheintrag fest? Hier auf der Seite ist ja inzwischen wenig los, aber immer noch soviel, dass es mir manchmal schwer fällt bei allen Diskussionen mitzukommen. Alles interessant und mein gedanklicher Berg mit witzigen festhaltenswerten Gedanken wird immer größer *grins*. Ein paar weitere Einträge zum Blinddarm-Effekt Teil 3 bis 74 – die ermordete Joggerin trug schließlich fast genau das gleiche Laufschuhmodell wie ich. Gestern Abend wurde hier in der Region jemand erschossen, die Täter sind noch auf der Flucht. Die Fahnung hab ich auf meiner Heimfahrt auf der Autobahn mitbekommen. Stoff für noch mehr Sicherheitseinträge. Oder was über Sex-Geräusche und die Evolutionsbiologie des Menschen, incl. meiner eigenen Theorien dazu? Über die Toiletten meiner Kunden und das manchmal eigenartige Verhalten der Leute dort – da gäbe es einiges zu berichten… Ein paar Gedanken zum Thema Alkohol hätte ich ebenfalls anzubieten, am Donnertag hat der Hotelgast am Tisch neben mir gleich nach dem Frühstück das erste Bier bestellt… Ihr merkt, die Themen gehen mir in nächster Zeit nicht aus. Mein Anspruch, es geht ja um mein Tagebuch, ich möchte ein möglichst repräsentatives Bild meines Alltags aufschreiben. Klappt wohl nie vollständig, aber mir ist natürlich wichtig zu verdeutlichen, dass ich mich nicht den gesamten Tag über bedroht fühle und mir Sorgen mache. Genauso habe ich nicht ständig Sex oder hab die Zeit für ausgedehnte Verhaltensstudien auf den Toiletten meiner Kunden *grins*.

rabi hatte die Frage „Wo hatte ich die Wahl?“ mit dem Thema Arbeit verbunden. Wird mal wieder Zeit das ich aus diesem Bereich etwas berichte. Einer der größten – gefühlten – Vorteile meiner Arbeit, ich komme in viele sehr unterschiedliche Unternehmen. Da frage ich mich dann schon oft ob das z.B. eine passende Arbeitsumgebung für Alenka wäre. Oder wenn ich in einem Projekt für eine Bank arbeite und sehe wie genervt die Mitarbeiter dort sind, da denke ich natürlich unmittelbar an rabi…

Gleichzeitig passt das Thema Arbeit wunderbar. Am Freitag hab ich mich nämlich tierisch über einen meiner Kunden aufgeregt. Dazu weiter unten mehr, ich hab das Thema Arbeit mal aus sehr unterschiedlichen Blickrichtungen für Euch festgehalten.

Meine Mutter und meine Arbeit
Was hat meine Mutter mit meiner Arbeit zu tun? Sie ist bis heute der Meinung, meine Firma wäre nicht „gut“ für mich. Die Selbstständigkeit, das Risiko und der ganze Stress. Bei einer Festanstellung hätte ich das ja alles nicht… Gut, komplett falsch sind diese Argumente nicht. Auf der anderen Seite nervt sie mich bis heute mit irgendwelchen Stellenanzeigen, die schickt sie mir per Mail, oder schneidete sie für mich aus der Zeitung aus. Manchmal ruft sie sogar deshalb an, wenn sie eine ihrer Meinung nach besonders interessante Stelle gefunden hat. Aktuell habe ich aber überhaupt kein Interesse an einer Festanstellung, meine Firma läuft super und derzeit muss ich mehr oder weniger ständig Projekte und Kundenanfragen ablehnen. In meinem Fall war die Selbstständigkeit eine sehr bewusste Entscheidung. Davor hatte ich als Angestellter sowohl in einem sehr großen und in einem eher kleinen Unternehmen gearbeitet. Da hatte immer ich gekündigt, einfach weil ich mich weiterentwickeln wollte…

Warum ich nicht bei der Polizei arbeite
Im Verwandten- und Bekanntenkreis ist mein kleiner Sicherheits-Tick natürlich ebenfalls bekannt. Da kommt dann sehr oft die Frage, warum ich den nicht bei der Polizei arbeiten möchte. Die würden doch zur Zeit IT-Spezialisten suchen. Da haben die Leute sogar recht, kurz darüber nachgedacht habe ich sogar. Klar mit „Computern“ hätte ich bei der Polizei auch zu tun. Aber aus meiner Sicht wäre das dort eher eine Sachbearbeiter-Tätigkeit. Worin ich gut bin sind neue Dinge und Probleme. Etwas Neues entwickeln oder ein Problem erforschen und eine Lösung vorschlagen. Sobald die Lösung aber gefunden ist, interessiert mich das Thema meist nicht mehr. Worin ich nicht gut bin, weil ich sehr schnell die Motivation verliere, sind Routineaufgaben. Irgendwelche Server am Laufen halten oder die Budgetplanung für das nächste Jahr, mit sowas kann man mich jagen. IT-Spezialisten bei der Polizei dokumentieren nur, sprich man wertet die Daten die im Umfeld eines Verbrechens entstanden sind aus und bereitet damit ein mögliches Gerichtsverfahren vor. Zumal die Mehrzahl der Fälle vermutlich eher Wirtschaftsstrafsachen oder Internet-Betrügereien sind. Würde mich jetzt nicht sooo wirklich interessieren, da steckt mir zu wenig Technik dahinter *grins*.

Bücher und Arbeit – Aufklärung
Für mich ein zentraler Punkt, zudem einer der Weichensteller der meine Wahl beeinflusst hat. Bereits in der 7. oder 8. Klasse hab ich die ersten englischen Fachbücher gelesen. Die hab ich mir damals von meinem Taschengeld gekauft. Inzwischen ist es leider eine verbreitete Unsitte bei meinen Kunden, die Leute lesen keine Bücher mehr – weder elektronisch noch auf Papier. Klar die Informatik ist eine relativ junge Wissenschaft, aber es gibt dennoch gute Fachbücher in diesem Bereich. Die erst Ausgabe ist manchmal vor mehr als 40 Jahren erschienen. Wenn ich dann professionelle Projektleiter treffe, die noch nie von diesem Buch gehört haben und haargenau die Fehler machen, die im jeweiligen Fachbuch beschrieben sind, ärgere ich mich schon manchmal. (Wenn es interessiert, welches Buch ich da meine: The Mythical Man-Month). Meine Liebe zum klassischen Buch ist ungebrochen. Ich überlege zwar manchmal auf Ebooks umzustellen, aktuell hab ich das aber noch nicht geschafft. Manchmal wäre das durchaus sinnvoll, es gibt Bücher deren Inhalt sehr schnell veraltet. D.h. es gibt Bücher bei denen kaufe ich mir alle 2 bis 4 Jahre die aktuelle Ausgabe zur dazu passenden Softwareversion. Solche Bücher verwende ich z.B. auch in Workshops und da ist natürlich die immer aktuellste Ausgabe sehr entscheidend. Zumal es oft gerade um die Neuerungen gegenüber der alten Version geht *grins*. Mein privater Traum ist immer noch ein klassisches Studierzimmer, mega Bücherregal, Ohrensessel und eine kleine Laborecke wo mein Mikroskop Platz finden könnte. Wenn ich an meinen Traum vom Studierzimmer denke ist das ebenfalls mit dem Begriff Aufklärung verknüpft, dann eben mehr mit der Zeitepoche. In der Google-Bildersuche unter den Begriffen „Aufklärung Studierzimmer“ gibt es ein paar gute Bilder was ich mir da gedanklich vorstelle. Wenn ich meine Denkweise und berufliche Motivation einer Zeitepoche zuordnen müsste, dann genau dieser. Das entsprechende Zimmer im Haus ist schon ausgewählt, nur die Umsetzung lässt noch auf sich warten…

Der eigene Arbeitsplatz
Das war das Thema in einer Mittagspause. Der aktuelle Kunde verfolgt in diesem Bereich sehr innovative Konzepte. Trend in meiner Branche, die Mitarbeiter haben zukünftig keinen festen ihnen zugewiesenen Arbeitsplatz mehr. Die Leute haben nur noch einen kleinen Schrank wo sie ihr Notebook einschließen können. Man sucht sich dann einfach „dynamisch“ einen freien Platz oder arbeitet in einer Kleingruppe gemeinsam zusammen. Gut in gewisser Weise arbeite ich schon immer nach diesem Modell. Ich habe mein Arbeitsgerät immer in der Tasche dabei. Ich lasse nie Dinge bei einem Kunden auf dem Schreibtisch zurück und da ich ja meist nicht die gesamte Woche beim gleichen Kunden bin ändert sich bei mir natürlich schnell mal der Schreibtisch an dem ich sitze… Bei den internen Mitarbeitern gingen die Meinungen aber sehr weit auseinander. Da ist der Schreibtisch dann doch irgendwie Statussymbol, obwohl alle das gleiche Modell haben. Aber jeder Tisch ist doch sehr individuell, eigene Pflanzen und Bilder von Frau und Kindern. Für manche Leute ist das wohl sehr sehr wichtig. Vor ein paar Jahren ist bei einem Kunden eine Mitarbeiterin in Tränen ausgebrochen, weil sie von Zimmer A in Zimmer B wechseln musste. Die Mitarbeiterin saß eben zuvor 20 Jahre in diesem Büro. Viele Arbeitgeber unterschätzen sowas. Die Arbeitsplatzkultur ist da weltweit sehr unterschiedlich, in Japan hab ich vor vielen Jahren das krasse Gegenteil deutscher Verhältnisse erlebt, da gab es absolut nichts Individuelles und alle Angestellten hatten die gleiche Uniform an. Hab im Internet sogar ein Bild von einem dieser Büros gefunden, da saß ich auch schon mal für einige Wochen (auf dem Bild sieht man übrigens nur einen winzigen Teilbereich dieses „Büros“):

Abwechslung als Motivation – Der Überraschungsei-Effekt
Für mich besonders wichtig ist die Abwechslung bei der Arbeit. Verschiedene Kunden, verschiedene Branchen und immer neue Probleme. Klar die Grundprobleme und Lösungsansätze sind immer ähnlich. Aber Details und Randbedingungen sind doch immer anders. Genau das motiviert mich, ich brauche diesen Überraschungsei-Effekt – Spiel, Spass und Spannung. Manchmal denke ich wirklich, meine Kunden versorgen mich quasi ständig mit neuem Spielzeug und och wie cool, die bezahlen sogar fürs rumspielen *grins*. Das ist meine Motivation! Aber diese Einstellung kann auch gefährlich sein. Was mich tierisch nerven kann, wenn sich Kunden nicht an gefühlte technische Gesetzmäßigkeiten halten wollen. Nervig ist noch dazu, wenn die Kunden mit allzuviel Bürokratie meinen Forscherdrang einschränken.

Arbeit und Frust
Arbeit hat für mich viel mit Leidenschaft und Bestimmung zu tun. Gut vielleicht kommt „Leid“ in „Leidenschaft“ nicht von ungefähr. Bei mir besteht eben oft die Gefahr, dass ich Dinge zu persönlich nehme. Mir fällt es dann schwer die Entscheidungen und das Verhalten meiner Kunden zu verstehen. Ich sehe eben vorrangig die technische Aufgabe, Projekte sind aber weit mehr als Technik. Es geht um Menschen und viel Politik mit Machtspielchen in den einzelnen Unternehmen. Sowas nervt mich dann tierisch.

Freitag gab es ein vortreffliches Beispiel dafür. Damit muss ich Euch jetzt noch kurz auf die Nerven gehen. Da wird das Tagebuch quasi zum Mülleimer für Dinge über die man sich tierisch aufgeregt hat. Aktuell waren es bei diesem Kunden zwei Dinge. Zunächst wirft dieser Kunde ständig meine Planung über den Haufen, ich arbeite aktuell an vier Projekten. Bei diesen Projekten gibt es meist ein bestimmtes Datum zu dem eine Umstellung oder Produktivsetzung abgeschlossen wird. Die Wochen vor diesem Termin gibt es dann eben viel zu tun, da erhält das jeweilige Projekt dann eine höhere Priorität und ich nehme mir mehr Zeit dafür. Die Zeit danach ist dann natürlich gleich für das nächste Projekt eingeplant. Sowas knallt natürlich, wenn der werte Kunde ständig seine Termine verschiebt. Noch besser und da bekomme ich dann echt die Krise, ich versuche diesem Kunden seit über einem Jahr zu erklären warum er ständig die Termine nicht halten kann. Ich hab da in Planungsmeetings mehrmals direkt die Frage gestellt, ob wir als Projekt da nicht aus unseren Fehlern lernen sollten. Die Leute verstehen das, sehen es genauso, machen wenige Monate später aber den gleichen Fehler wieder.

Für einen weiteren Punkt komme ich nochmal auf das Thema Aufklärung zurück. Ich würde die Situation in diesem Projekt fast mit einem Ausbruch der Pest im Mittelalter vergleichen. Da gibt es wilde Spekulationen, viele Meinungen und endlose Diskussionen darüber, warum die Performance des Systems so schlecht ist. Mir ist sowas ziemlich egal, das ist ein technisches System und mit der richtigen Systematik lässt sich darin ein Problem relativ schnell eingrenzen. Ich habe in diesem Projekt schon mehrfach gezeigt, das man so ohne viele Diskussionen, Probleme beheben kann. Aber die Leute dort kommen nicht weg von ihrer Voodoo-Arbeitsweise, beim nächsten Problem geht man wieder von Hexen und bösen Geistern aus. Ich kann in solchen Situationen meinen Sarkasmus dann nur schwer zügeln. Da rutscht mir dann schon mal ein Satz raus wie: „… also wenn ich mir den Kaffeesatz in meiner Tasse ansehe, kann es eigentlich nur an Komponente X liegen…“.